Bienenschaugarten Essingen e. V. (BsE)
 

Superorganismus Honigbiene

©Imkerei Wiech

In einem Bienenvolk geht es ganz schön geschäftig zu und her. Und obwohl dieses fleissige Gewimmel für uns Menschen etwas chaotisch wirken kann, weiss jede Biene genau was sie zu tun hat. In einem Bienenvolk herrscht nämlich strenge Arbeitsteilung.


„Der Bien“ – eine einzelne Biene ist machtlos, viele Bienen sind ein Superorganismus
Honigbienen sind Insekten – soviel ist klar. Doch 1869 veröffentlichte der Imker Johannes Mehring eine interessante Überlegung: eine einzelne Biene sei zwar ein Insekt, doch ein ganzes Bienenvolk - also Tausende von Honigbienen – könne wie ein einzelner, höherer Organismus (also wie z.B. ein Wirbeltier) funktionieren! Er nannte diese Gemeinschaft aus einzelnen Bienen „den Bien“. Später wurde für solche besonderen Gemeinschaften der Begriff „Superorganismus“ erfunden. Einzelne Individuen überleben zwar eine Zeitlang allein, doch die Art kann nur als Gemeinschaft überleben, als Bienenvolk, in dem jede Biene ihre bestimmte Aufgabe hat – so, wie auch jede Zelle in unserem Körper ihre bestimmte Aufgabe hat.

Spezialisierte „Bienenberufe“ können mit verschiedenen Körperzellen verglichen werden
Man kann sich also ein Bienenvolk als einen einzigen Organismus vorstellen, der aus vielen Einzelbienen besteht, die spezielle Aufgaben übernehmen. Unter den Arbeitsbienen gibt es etwa „Heizerbienen“ und „Kühlerbienen“, die durch Muskelzittern bzw. Verdunsten von Flüssigkeit die Temperatur im Innern des Bienenstocks sowohl im Winter als auch im Sommer immer bei 35 °C halten. „Wächterbienen“ bewachen den Eingang, „Ammenbienen“ ernähren den Nachwuchs und „Putzbienen“ halten den Bienenstock sauber. Eine streng organisierte Arbeitsteilung also, wie sie auch bei den Zellen in unserem Körper zu finden ist – Muskelzellen haben nämlich andere Aufgaben als Nerven- oder Knochenzellen, und nur durch das Zusammenspiel von allen Zellen und Organen funktioniert unser Körper als Ganzes.


Und wer ist der Chef?
Neben den Arbeitsbienen (den „Körperzellen“) gibt es Drohnen, die man als „männliches Fortpflanzungsorgan“ des Superorganismus sehen kann. Und dann ist da noch die Bienenkönigin – Gebärmaschine und „weibliches Fortpflanzungsorgan“ des Bienenvolks. Sie bekommt als einzige Honigbiene Nachwuchs und unterdrückt die Fortpflanzungsfähigkeit der ebenfalls weiblichen Arbeitsbienen, indem sie ständig Pheromone (siehe weiter unten) ausschüttet. Obwohl sich im Bienenvolk alles um die Königin dreht, ist diese nicht die Chefin. Es gibt aber auch sonst keinen Chef, der als das „Gehirn“ des Superorganismus fungiert – Entscheidungen werden vom ganzen Bienenvolk gemeinsam getroffen. Die Mitglieder des Bienenvolks stehen in ständigem Kontakt miteinander und tauschen Informationen aus. Um beim Vergleich mit einem Organismus zu bleiben, könnte man sich diesen Informationsfluss als eine Art „Nervenzellennetz“ vorstellen.


Pheromone – Kommunikation im Bienenstock
In einem so komplexen System wie dem Superorganismus Bienenvolk ist die Kommunikation zwischen den einzelnen Individuen, sowie die Koordination ihrer Tätigkeiten von ausserordentlicher Bedeutung. Neben dem berühmten Bienentanz kommunizieren Bienen mithilfe sogenannter Pheromone. Pheromone sind Duftstoffe, die von den Bienen abgegeben werden und als Informations- und Botenstoffe für ihre Artgenossen dienen. Je nach Situation unterscheiden sich die Duftstoffe in ihrer Zusammensetzung und senden somit verschiedene Signale. Die Honigbienen benutzen Pheromone, um zum Beispiel den Eingang zum Bienenstock, einen Feind nach einem Bienenstich oder sich selbst als „bienenvolkzugehörig“ zu markieren. Die Bienenkönigin produziert eine besonders starke Pheromonmischung, die sie auf ihrem Körper verteilt und so ihre Anwesenheit signalisiert. Solange sie lebt, wird die Bienenkönigin von den Arbeiterbienen nicht nur gefüttert, sondern auch geputzt. Die von der Königin ausgeschiedenen Pheromone werden dabei durch die Arbeiterinnen im Bienenstock verteilt. Dadurch wissen alle Bienen, dass die Königin noch da ist und es ihr gut geht. Dadurch wird das Bienenvolk beruhigt. Sobald die Königin diese Substanz nicht mehr herstellt (und sie demnach tot ist), ziehen die Arbeitsbienen sofort durch Fütterung mit Gelée royale eine neue Bienenkönigin auf – sofern noch junge Larven vorhanden sind. Anderenfalls wird das Bienenvolk aussterben, denn nur die Königin kann Nachwuchs produzieren. Auch die Drohnenproduktion funktioniert so – gibt es zu wenig Drohnenpheromone im Bienenvolk (und somit zu wenig männliche Bienen), legt die Königin unbefruchtete Eier und stellt so sicher, dass genügend Drohnen vorhanden sind. Die von der Königin produzierten Pheromone hemmen ausserdem die Entwicklung der Eierstöcke bei den Arbeiterbienen, so dass diese keine Nachkommen bekommen können.
Zusammengefasst kann ein Bienenvolk als ein Superorganismus betrachtet werden, in dem jede einzelne Biene zum Überleben und Funktionieren des gesamten Organismus beiträgt.


Gemeinsam entscheiden
Wenn ein Bienenvolk schwärmt, verlässt die alte Königin das Nest zusammen mit 10.000-20.000 Arbeiterinnen. Dieser Schwarm hat aber noch keine neue Bleibe. Sogenannte Spurbienen machen sich deshalb auf die Suche nach geeigneten Nistplätzen. Die Spurbienen beurteilen die Qualität des entdeckten Nistplatzes anhand seiner Grösse und anderer Faktoren wie Sonnenbestrahlung oder Gefährdung durch Feinde und kehren zurück zum Schwarm. Jede Spurbiene, die fündig geworden ist, gibt die Informationen zum Nistplatz an die anderen Bienen weiter. Dies geschieht mit dem Bienentanz, einem ritualisierten Bewegungsmuster, von dem die anderen Bienen die Entfernung und Richtung des Nistplatzes „ablesen“ können. Andere Spurbienen suchen nun den gleichen Nistplatz auf. Je nach Qualität des Platzes wird mehr oder weniger aktiv dafür geworben, d.h. der Bienentanz wird häufiger oder weniger häufig von den Spurbienen, die ihn aufgesucht haben, aufgeführt. Spurbienen, die einen weniger geeigneten Platz gefunden haben, hören mit dem Tanz bald auf und interessieren sich für den lebhafteren Tanz der Spurbienen, die einen besseren Platz gefunden haben. Sie lassen sich also quasi umstimmen. So kristallisiert sich langsam heraus, welcher der gefundenen Plätze der beste ist. Sobald eine gewisse Anzahl Spurbienen für den gleichen Ort wirbt, ist das Signal für den ganzen Schwarm gegeben sich an diesen Ort zu begeben.


Quelle:SimplyScienec